Wir fordern die SPD Oldenburg auf, folgende Position auf allen politischen Ebenen zu vertreten:
Die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) muss im Sinne des SPD-Grundsatzprogramms (Hamburg 2007) die Hauptsäule einer armutsfesten Alterssicherung bleiben bzw. dazu wieder werden. Das Alterssicherungsziel muss hierbei eine den Lebensstandard erhaltende, paritätisch finanzierte und beitragsbezogene Rente sein; die Stabilität der Beitragssätze darf nicht die höchste Priorität genießen.
Um dies zu erreichen, sind die folgenden Kernpunkte umzusetzen:
- Die weitere Absenkung des Rentenniveaus wird gestoppt und der vom Gesetzgeber eingeführte Riester- wie Nachhaltigkeitsfaktor gestrichen.
- Der Beitragssatz wird in Abhängigkeit von der finanziellen Leistungsfähigkeit eines Beitragszahlers/einer Beitragszahlerin bei paritätischer Beteiligung des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin leicht progressiv gestaltet.
- Wer in die Rentenkasse eingezahlt hat, muss im Ruhestand mehr Geld erhalten als die bloße Grundsicherung. Auf sie muss, wenn der Rentenanspruch das Niveau der Grundsicherung unterschreitet oder gerade erreicht, in Abhängigkeit von den eingezahlten Beiträgen ein Aufschlag geleistet werden. Wer gearbeitet und in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung Beiträge geleistet hat, muss mehr haben als jemand, der nicht gearbeitet hat.
- Bei geringen Rentenansprüchen ist ein prozentual sehr hohes Rentenniveau von bis zu 90 % des letzten Nettoeinkommens anzusetzen, damit auch bei konstant verdientem Mindestlohn die Grundsicherung übertroffen wird.
- Das Rentenleistungsniveau nach 45 Beitragsjahren muss deutlich angehoben werden, so dass bei konstantem Erwerb eines Entgeltpunkts pro Jahr der Rentenanspruch die Grundsicherung in angemessenem Abstand übertrifft. Für den derzeitigen Durchschnittsbruttolohn (2016: 32.267 €) bedeutet dies ein Niveau von mindestens ca. 65 %.
- Das Äquivalenzprinzip bezüglich Beitragsleistung und Rentenleistung muss grundsätzlich erhalten werden, jedoch in angepasster Form analog zur Arbeitslosenversicherung (Höchstanspruch auf Arbeitslosengeld Höchstanspruch auf Rente).
Begründung:
Das Renten-Leistungsniveau ergibt sich aus dem Verhältnis der Rentenhöhe eines Durchschnittsrentners/einer Durchschnittsrentnerin zum Durchschnittsverdienst. Es liegt derzeit bei ca. 48% des letzten Netto-Einkommens. Bis in die 90er-Jahre hinein lag es noch deutlich höher. Durch die vom Gesetzgeber beschlossene kontinuierliche Absenkung auf nur noch 43 % bis 2030 und die gerichtlich angeordnete Rentenbesteuerung droht Menschen, die weniger als 70 % des durchschnittlichen Nettoeinkommens verdienen, eine Rente unter Grundsicherungsniveau, das heißt Altersarmut und Aufstocken. Durch Lücken in der Erwerbstätigkeit sinkt das tatsächliche Rentenniveau dieser Menschen noch weiter.
Ein Beispiel: Wer Vollzeit (40 Stunden) zum Mindestlohn von zukünftig 8,84 € arbeitet, erhält ein monatliches Arbeitsentgelt brutto von ca. 1.532 € im Monat. Davon bleiben nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben gerade noch ca. 1.120 € übrig. 43 % hiervon sind 482 €, die aber auch nur nach 45 Beitragsjahren erreicht werden. Die Grundsicherung im Alter liegt bereits deutlich höher. Ändern wir dies nicht, lassen wir Millionen von Rentnern*innen sehenden Auges in die Altersarmut laufen!
Dazu ein Rechenbeispiel für alleinstehende Rentner*innen: Die Grundsicherung umfasst den monatlichen Regelsatz von 404 €. Dazu kommt angemessener Bedarf für Unterkunft (434 € laut Wohngeldtabelle) und Heizung (79 € laut bundesweitem Heizspiegel). Es muss also ein Gesamtbetrag von 917 € monatlich angesetzt werden, wobei es regionale Unterschiede gibt, z. B. höhere Sätze in Oldenburg.
Bei einem konstant verdienten Mindestlohn von 8,84 €/Stunde oder 1.532 €/Monat müsste also der Rentenanspruch mindestens bei ca. 90 % des letzten Nettoeinkommens liegen, damit er a) mindestens die Höhe der Grundsicherung erreicht und b) die jahrelangen Einzahlungen überhaupt einen Vorteil gegenüber der ohnehin zustehenden Grundsicherung bringen. Dies führt unmittelbar zu der Frage, ob nicht der Mindestlohn derzeit deutlich zu niedrig angesetzt ist, um Altersarmut zu vermeiden, die aber nicht Teil dieses Antrags ist.
Fakt ist also: Für viele Menschen in abhängiger Beschäftigung ist die gesetzliche Rentenversicherung bereits jetzt nahezu wertlos, da sie ganz ohne Beitragszahlungen bereits mehr Geld aus der Grundsicherung erhalten müssen. Sie zahlen Beiträge, erhalten dafür aber keine adäquate Gegenleistung. Dies muss man als in hohem Maße unfair bezeichnen. Gleichzeitig werden in anderen Ländern, Österreich oder den Niederlanden zum Beispiel, für derart geringe Einkommen trotz ähnlicher Demografie deutlich höhere Rentenleistungen ausgezahlt. In Österreich rechnet man langfristig mit einem Rentenniveau von 68 % des letzten Nettoverdienstes.
Der in der Rentenberechnungsformel seit 2005 enthaltene Nachhaltigkeitsfaktor bewirkt zusätzlich eine Reduzierung der Rentenhöhe, was vom Gesetzgeber mit der Berücksichtigung des Verhältnisses der sinkenden Zahl von Arbeitnehmern*innen zur steigenden Zahl der Rentner*innen begründet wurde. Der Nachhaltigkeitsfaktor erweist sich jedoch als ein rein ideologisch konstruiertes Instrument, das unter anderem auf vermeintlichen demografischen Problemen durch zu geringe Geburtenzahlen aufbaut. Unser Rentensystem leidet aber hauptsächlich unter drei Faktoren, die mit Demographie wenig zu tun haben:
- Durch die Höchstgrenze zur Beitragsbemessung werden hohe Einkommen abhängig Beschäftigter nicht adäquat zur Finanzierung des Systems der GRV herangezogen, gleichzeitig fehlen ebenso die entsprechenden Arbeitgeberanteile.
- Beamte*innen und Selbständige zahlen überhaupt nicht in die GRV ein, so dass insgesamt fast 10 Millionen Einkommensbezieher*innen in der Einnahmebasis der GRV komplett fehlen.
- Es werden zahlreiche versicherungsfremde Leistungen aus der Rentenkasse gezahlt, die auch an Nicht-Einzahler*innen gehen und eigentlich über Steuern finanziert werden müssten.
Das Finanzierungsproblem wird in einem gesonderten Antrag detailliert behandelt. Eine Finanzierung der in diesem Antrag genannten Forderungen ist ohne nennenswerte Änderungen an den Beitragssätzen möglich, wenn man zeitgleich das Problem der zu geringen Einnahmebasis in den Griff bekommt.
Auch gesamtwirtschaftlich wirkt die Rentenerhöhung positiv: Weil insbesondere geringe Einkommen betroffen sind, ist davon auszugehen, dass fast jeder Euro, der zusätzlich ausgezahlt wird, direkt in den Konsum zurückfließt. Dies schafft zusätzliche Nachfrage, Beschäftigung und Steuereinnahmen.
Da insbesondere Geringverdienern*innen die Rentenbeiträge besonders wehtun, fordern wir zudem eine leicht progressive Gestaltung des Beitragssatzes, denn die Abgaben stehen hier in direkter Konkurrenz zu den Ausgaben für den nötigsten Bedarf. So könnte der Gerechtigkeit halber ein/e Mindestlöhner*in beispielsweise nur 8 % vom Bruttolohn einzahlen, während ein/e Normalverdiener*in 9 % und ein/e Gutverdiener*in etwa 10 % einzahlen müsste.